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AUF DEN SPUREN DIETRICH BONHOEFFERS IN BERLIN – Glauben und Handeln in der tiefen Diesseitigkeit

AUF DEN SPUREN DIETRICH BONHOEFFERS IN BERLIN

Seminar des Christlichen Bildungswerks DIE HEGGE vom 28. Juni bis 1. Juli 2018

Vierzehn Hegge- und Bonhoeffer-Freunde trafen sich vereinbarungsgemäß am 28. Juni 2018 in der Mitte der Bundeshauptstadt, um diese gemeinsam für drei Tage „auf den Spuren Dietrich Bonhoeffers“ zu erkunden.

Unterwegs zum ersten Ziel – Zionskirche

Nach einer kurzen Begrüßungs- und Vorstellungsrunde im Gästehaus Lazarus, wo wir Quartier bezogen hatten, zogen wir per pedes von der Bernauer Straße zum ersten Zielort, der nahe gelegenen Zionskirche, in der Dietrich Bonhoeffer 1931 als junger, soeben ordinierter Pastor predigte und sich in seiner pastoralen Arbeit vor allem den Konfirmanden zuwandte. Hier wurden wir von Prädikant Thomas Beckmann freundlich empfangen, der uns zunächst das bronzene Bonhoeffer-Denkmal von Karl Biedermann anhand der Stichworte „Widerstand und Ergebung“ erschloss, das vor der Kirche aufgestellt ist. Danach lud er uns ins Innere der Kirche ein, wo Beckmann uns das Wirken Bonhoeffers an der Zionskirche erläuterte. Eindrucksvoll wurde deutlich, wie und mit welchen Methoden Bonhoeffer die Herzen der Jugendlichen zu gewinnen vermochte. Dr. Holger Brülls, der als Referent der Hegge das Berlinseminar fachkundig begleitete, ergänzte den Vortrag mit Ausführungen über Architektur und Raumgestalt der Zionskirche. Einige besonders ausdauernde Seminarteilnehmer besuchten auf dem Heimweg noch das Wohnhaus Bonhoeffers von 1931-32 in der Oderbergerstraße 61, an dem eine Gedenktafel angebracht ist.

Prof. Ringshaus

Nach dem Abendessen im Garten des Hotels Grenzfall erwartete uns im Gästehaus ein Vortrag des Lüneburger Theologen Prof. Dr. Gerhard Ringshausen, der uns in die geistige und geistliche Tiefe Dietrich Bonhoeffers anhand ausgesuchter Texte einführte.

Bonhoeffer-Haus in Charlottenburg

Am nächsten Morgen starteten wir mit dem Bus nach Charlottenburg. Ziel war das Bonhoeffer-Haus in der Marienburger Allee 43. In diesem Haus lebten die Eltern Karl und Paula Bonhoeffer ab 1935, hier fanden konspirative Gespräche des Widerstands statt, hier schrieb Dietrich an seiner Ethik und hier wurde er am 5. April 1943 von der Gestapo verhaftet. In diesem geschichtsträchtigen Haus, heute eine Erinnerungs- und Begegnungsstätte der Evangelischen Kirche, wurden wir von Ralf Herold, Theologe und Mitarbeiter dieser Erinnerungsstätte, herzlich begrüßt. Anhand von Foto- und Schautafeln ließ er die Gestalt Dietrich Bonhoeffers lebendig werden und erläuterte seinen Weg in die Konspiration. Es folgte ein Rundgang durch das Haus, in dessen Dachgeschoss das bescheidene Zimmer Dietrichs bis heute mit originaler Ausstattung, etwa seinem Schreibtisch, besucht werden kann. Nach dem Rundgang erwartete uns im unteren Seminarraum Dr. Tobias Korenke, ein Angehöriger und Nachkomme der Familie Bonhoeffer. Er erzählte von der Familie Bonhoeffer, ihren Besonderheiten, Neigungen und Überzeugungen, durch die auch Dietrich in hohem Maße geprägt worden war.

St. Annen-Kirche in Dahlem

Nach der Mittagspause gönnten wir uns mit dem Bus noch einen Abstecher nach Dahlem, wo die Familie Bonhoeffer bis 1935 gewohnt hatte, sowie zur Dahlemer St. Annen-Kirche. Empfangen wurden wir hier von Karl Tietze, der uns das Pfarrhaus zeigte, in dem u.a. Helmut Gollwitzer gewohnt hatte. Aufgrund einer Trauung konnten wir die Kirche von innen nicht anschauen, jedoch ein Gang über den Friedhof war lohnend. Hier finden sich neben den Gräbern von Brigitte und Helmut Gollwitzer u.a. auch die Gräber von Barbara und Hans Bernd von Haeften, dem Widerstandskämpfer und Mitarbeiter des Kreisauer Kreises, der 1944 in Plötzensee gehenkt wurde.

 

Gustav-Adolf-Kirche

Von Dahlem fuhren wir wieder nach Charlottenburg, wo wir nun die Gustav-Adolf-Kirche ansteuerten, eine Kirche von Otto Bartning, die in der Zeit Dietrich Bonhoeffers erbaut wurde. Christa Thorau, die seit ihrer Konfirmation dieser Kirche eng verbunden ist, führte uns fachkundig und machte uns auf viele kostbare Details aufmerksam.

Vortrag von Dr. Brülls

Nach dem Abendessen, das wieder im Garten des Hotels Grenzfall serviert wurde, trafen wir uns erneut im Gästehaus zu einem Abendvortrag, diesmal von Dr. Holger Brülls. Er stellte uns mit dem leider zu wenig bekannten Bildhauer Wilhelm Groß (1883-1974) einen expressionistischen Bildhauer im Umkreis Dietrich Bonhoeffers vor und zeigte Bezüge zu Bonhoeffers Zeit in Finkenwald auf.

Vor der Martin-Luther-Gedächtniskirche

Am Samstag starteten wir nach dem Frühstück nach Mariendorf. Ziel war die Martin-Luther-Gedächtniskirche, eine Kirche, die in der Nazi-Zeit entstanden ist und eine z.T. erschreckende Nazi-Ikonographie aufweist. Geführt wurden wir hier von Beate Rossié vom Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart. Angesichts dieser Entgleisungen in der Ausstattung einer christlichen Kirche entwickelten sich lebendige, z.T. kontroverse Diskussionen zur weiteren Nutzbarkeit eines solchen Raumes; es wurde z.B. die Frage diskutiert: Ist diese Kirche noch sakral? Auch Fragen zur Verführbarkeit durch Kunst und zur Inkulturation des Christentums wurden angesprochen, u.v.a.m.

Dr. Holger Brülls wies ergänzend auf die Orgel hin, die vom Reichsparteitag 1935 von Nürnberg nach Mariendorf gebracht wurde, und ließ sie mit einer kurzen Improvisation erklingen.

Eingang zur JVA Tegel

Nach der Mittagspause fuhren wir weiter nach Tegel. Es gab einen Zwischenstopp am Eingang zur JVA Tegel, in der Dietrich Bonhoeffer von 1943 – 1944 inhaftiert war und wo ein Großteil der Briefe entstand, die in dem berühmten Band „Widerstand und Ergebung“ posthum publiziert worden sind. Das Gebäude mit der Zelle Dietrich Bonhoeffers wurde 2016 abgerissen, aber Fotos und Dokumente berichten aus dieser Zeit. Dr. Holger Brülls erläuterte am Gefängniseingang, weiter durften wir nicht gehen, anhand von Grundrisszeichnungen verschiedene Prinzipien und Modelle der Anstaltsarchitektur des 19. Jahrhunderts.

Von Tegel fuhren wir zurück in die Bernauer Straße. Gegenüber unserem Gästehaus findet sich die „Gedenkstätte Berliner Mauer“. Wir hatten für den Nachmittag eine Führung durch das Gedenkstättenareal bestellt. Andreas Hoffmann erläuterte anschaulich, was der Bau der Mauer mitten durch die Stadt für die Betroffenen bedeutete und nahm darüber hinaus in seinen Ausführungen besonders die Opfer des Schießbefehls an der Mauer in den Blick, jene, die im Laufe der 40 Jahre bei ihrem Fluchtversuch erschossen oder auf andere Weise zu Tode gekommen sind.

Der Reichstag gespiegelt vom Kanzleramt

Nach dem Abendessen im Zollpackhof wurde der weitere Abend für einen Spaziergang durch das Regierungsviertel genutzt. Vorbei an Bundeskanzleramt, Reichstag, Brandenburger Tor und verschiedenen Ministerien schlenderten wir bei untergehender Sonne zurück in unser Quartier an der Bernauer Straße.

Pfarrerin Eva Markschies

Am Sonntag fuhren wir, nun bereits mit komplettem Reisegepäck, nach Charlottenburg-Nord und wurden im dortigen Evangelischen Gemeindezentrum von Pfarrerin Eva Markschies begrüßt. Sie erläuterte die Entstehung dieser auch äußerlich ungewöhnlichen Kirche an diesem Ort und geleitete uns dann in die Gedächtniskirche, die an die Opfer von Plötzensee erinnern soll.

Eva Markschies erschloss den düsteren, bedrückenden Raum, der allein von oben mit Tageslicht gespeist wird, als einen gültigen Ort christlichen Gottesdienstes in Nachbarschaft zu Gefängnis und Hinrichtungsstätte.

 

Alfred Hrdlicka, Emmaus Abendmahl; Foto: Fritz Salus; © ev. Kirchengemeinde Charlottenburg Nord

Der dort präsentierte „Plötzenseer Totentanz“ des Malers und Bildhauers Alfred Hrdlicka zeigt in seinen Bildern heutige Bedrohungen, Gewalt und Tod des Menschen in verschiedenen Bezügen und Variationen. Als wiederkehrendes Motiv finden sich auf jeder Tafel zwei Rundfenster, davor ein Balken mit Fleischerhaken. Hrdlicka nimmt hiermit Bezug auf den nahegelegenen Hinrichtungsbunker Plötzensee, wo Menschen von Menschen wie Vieh an Fleischerhaken gefoltert und erhängt wurden.

Vorhof der Kirche Maria Regina Martyrum

Anschließend gingen wir in die daneben gelegene katholische Gedenkkirche Maria Regina Martyrum, wo wir gemeinsam mit den Karmelitinnen und vielen weiteren Gästen den Sonntagsgottesdienst feierten. Eine Karmelitin begrüßte uns nach dem Gottesdienst und führte uns in den großen Feierhof der Kirche, der an einen Appellplatz erinnert. Der Kreuzweg des Bildhauers Otto Herbert Hajek, die goldene Plastik „Apokalyptische Frau“ von Fritz Koenig an der weißen Fassade der Oberkirche sowie seine Pieta in der Unterkirche und nicht zuletzt das monumentale Altarbild der Oberkirche von Georg Meistermann waren Stationen des gemeinsamen Rundgangs, den die Karmelitin mit Briefen inhaftierter Widerstandskämpfer gestaltete.

Hinrichtungsschuppen Plötzensee

Letzte Station unseres Studienseminars war die Gedenkstätte Plötzensee mit dem Hinrichtungsschuppen, in dem neben vielen anderen Helmuth James Graf von Moltke und P. Alfred Delp während der nationalsozialistischen Diktatur erhängt wurden.

Eine Seminarreflexion und Seminarauswertung fand beim abschließenden Mittagessen in einem Restaurant am Savignyplatz statt. Besonderer Dank galt Dr. Holger Brülls, der während des gesamten Seminars die vielen Themen, Führungen und Vorträge überaus fachkundig zusammenzubinden verstand. Danach verabschiedeten wir uns – mit einer Fülle an Eindrücken reich beschenkt – von allen Reisegefährtinnen und Reisegefährten. Einige blieben noch einige Tage länger in Berlin, andere traten den Heimweg an. Offen blieb nur die Frage: Wohin fahren wir nächstes Jahr?

Weitere Bilder

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Zionskirche: Führung durch Thomas Beckmann

Bonhoeffer-Denkmal - Widerstand und Ergebung

Th. Beckmann beim Vortrag in de Zionskirche

Dr, Brülls ergänzt

Abendessen im Innenhof des Gästehauses

Vortragsrunde mit Prof. Ringshausen

Gesprächsrunde im Gästehaus

Vortrag von Ralf Herold

Dr. Korenke beim Vortrag

Schreibtisch von Dietrich Bonhoeffer

Friedhof von Dahlem I

Friedhof von Dahlem II

Begrüßung durch Christa Thorau

Fensterfront der Gustav-Adolf-Kirche

Führung durch Christa Thorau

Chorfenster Gustav-Adolf-Kirche

Dr. Brülls über Wilhelm Groß

Martin-Luther-Kirche: Problematische Ikonographie

JVA Plötzensee: Erläuterungen zur Anstaltsarchitektur

Gedenkstätte Berliner Mauer

Rundgang durch das Regierungsviertel

Eva Markschies erläutert den Plötzenseer Totentanz

Erläuterungen durch eine Karmelitin

Gedenkstätte Plötzensee

Abschiedsessen in der Dicken Wirtin