Veranstaltung war am: 22.11.2024 18:00 - 24.11.2024 15:30


Künstliche Intelligenz in der Medizin

Zur alljährlichen medizinethischen Tagung trafen sich vom 22.-24. November über 30 Ärztinnen und Ärzte auf der Hegge,
diesmal zum Einsatz von „Künstlicher Intelligenz in der Medizin“.

Ausgangsposition ist der demografische Wandel und die daraus resultierende nüchterne und ernüchternde Einsicht, dass bereits jetzt, aber künftig immer weniger die alten und kranken Menschen ärztlich und pflegerisch angemessen versorgt werden können.

Alle Möglichkeiten, die sich Ärztinnen und Ärzten bieten, ihre Arbeit zu erleichtern und effektiver zu gestalten, sind daher grundsätzlich willkommen. Während die Digitalisierung aus den Kliniken und Arztpraxen schon lange nicht mehr wegzudenken ist, zeigte sich zu Beginn der Tagung, dass die gezielte Nutzung von KI v.a. in den Praxen der niedergelassenen Ärzte bislang noch kaum Anwendung findet. Hauptgrund dafür ist das hohe Verantwortungsbewusstsein der Ärztinnen und Ärzte und ihre Skepsis, ob die KI-basierten Tools tatsächlich sämtliche Komponenten der Entscheidungsfindung berücksichtigen, die ihnen als erfahrene Ärztinnen und Ärzten wichtig sind. Auch Haftungsfragen wurden diskutiert.

Andererseits ist der Druck auf die Hausarztpraxen extrem hoch. „Wir haben es jetzt bei uns erlebt, was es bedeutet, wenn die benachbarte Hausarztpraxis schließt, keinen Nachfolger hat, und 1500 Patienten auf dem Land einen neuen Hausarzt suchen… unsere Praxis, die schon immer sehr voll war, wurde geradezu geflutet. Das ist nicht mehr zu schaffen…“, erzählte eine niedergelassene Hausärztin. Somit wurde deutlich, dass Ärztinnen, Ärzte und Pflegepersonal jede technische Hilfe und Entlastung nutzen müssen, die sie für sinnvoll und verantwortbar halten.

Und diesbezüglich wurde im Rahmen der Tagung einiges vorgestellt:

Z.B. kommt mit dem „TytoCare-Set“ eine HNO-Klinik für 50,- Euro nach Hause: Ein kleines Gerät, mit dem die körperlichen Untersuchungen im HNO-Bereich zuhause durchgeführt werden. Die Daten werden automatisch an die Praxis übermittelt und ausgewertet. Per Video findet das telemedizinische Arztgespräch statt.

Zweites Beispiel: Der Klinikkonzern Helios stellte im Frühjahr 2022 in Leipzig seinen C4U2BE-Cube vor. Dabei handelt es sich um einen Container, in dem Diagnostik wie Röntgen, Ultraschall, Blutdruck- und Augeninnendruckmessung durchgeführt werden kann. Die Patienten autorisieren sich mit ihrem Smartphone, treten ein und die Untersuchungen werden durchgeführt. Teleärzte erhalten die Ergebnisse und leiten eine Therapie ein. Herz-Kreislauf- sowie Lungenerkrankungen und Diabetes können so medizinisch überwacht und behandelt werden. Der Kubus ist überall aufstellbar, z.B. in Einkaufszentren. Gedacht ist er v.a. für den Einsatz in unterversorgten Regionen.

Drittes Beispiel: Sprachbasierte KI-Programme unterstützen Praxisteams, übernehmen Teile der Dokumentationspflicht, geben Therapievorschlag, übernehmen den Abgleich mit den Leitlinien.

„Für mich wäre es super, wenn ich meine Berichte und Befundübermittlungen von einer medizinisch qualifizierten KI schreiben lassen könnte“, sagte ein Hausarzt erfreut. „Man gibt die entsprechenden Daten ein, die KI schreibt, danach muss man den Text nur nochmal kontrollieren. Das wäre schon ein enormer Zeitgewinn!“

Bei aller Überraschung und Freude über diese hoffnungsvollen Entwicklungen gab es auch begründete Vorsicht und Skepsis. Denn längst hat sich eine mächtige Konkurrenz von Tech-Giganten in der Medizintechnik etabliert. Große Konzerne wie Amazon & Co., bei denen das Profitinteresse im Vordergrund steht, haben das riesige Potenzial des Medizinmarkts längst erkannt.

Wichtig ist deshalb, dass für Kliniken und Arztpraxen eine eigene, wissenschaftlich validierte KI aufgebaut wird, um eine verantwortbare Qualität der Maschinen zu gewährleisten.

Auf diese Weise kann KI ein diagnostisches Hilfsmittel, ein praktikables Werkzeug, ein zertifiziertes Medizinprodukt in Arztpraxen und Kliniken sein.

„KI muss uns Arbeit abnehmen, weil der Versorgungsdruck stetig wächst. Wir brauchen KI, weil wir es ohne technische Hilfe nicht mehr schaffen!“, so fasste Tagungsmoderator und Hausarzt Dr. Ulli Polenz das Tagungsergebnis zusammen.