Veranstaltung war am: 09.03.2025 15:00 - 13.03.2025 15:00


Kirchen und Klöster als Stätten kultureller und geistlicher Vergewisserung

Das 19. Ökumenische Kirchenführungsseminar der HEGGE vom 9.3. – 13.3.2025

Mit dem 19. Ökumenischen Fortbildungsseminar für Kirchenführer*innen konnte DIE HEGGE auch im Frühjahr 2025 die gute Tradition dieser Reihe fortsetzen, die auch für das ökumenische Gespräch so wertvoll und fruchtbar ist.

Die 21 Teilnehmerinnen und Teilnehmer setzten sich zusammen aus Stadt-, Kirchen- und Klosterführer*innen. Darüber hinaus waren drei evangelische Klöster bzw. Stifte personell vertreten: Kloster Walsrode, Kloster Mariensee sowie Stift Börstel.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden schnell zu einer Gemeinschaft zusammen, auch die „Neuen“ waren nach eigener Aussage sofort „zuhause“. Bereits am ersten Abend wurde von acht Teilnehmer*innen ein Projektchor gegründet, der 4-stimmige Choralsätze einstudierte und in die Gottesdienste einbrachte, was den Zusammenhalt zusätzlich stärkte. Jedoch vorrangig verband das gemeinsame Interesse an Kirchen und ihrer Ausstattung, an Ikonographie, Architektur und bildender Kunst und bannte die Teilnehmer*innen vom ersten Abend an. Hinzu kam eine gute und mündige Gesprächskultur, in der aufeinander gehört, aber auf Co-Referate verzichtet wurde.

Das Seminar begann inhaltlich am Sonntag Abend mit zwei Teilnehmer-Beiträgen: zu dem neuen Oster-Altarbild von Thomas Jessen für die Klosterkirche Corvey sowie zur Neugestaltung des Altarraums der Propsteikirche St. Mariä Himmelfahrt in Jülich-Mitte.

Der Montag Vormittag wurde von Dr. Arnd Friedrich gestaltet. Dr. Friedrich ist evangelischer Theologe, Pfarrer und Mitinitiator dieser Seminarreihe. Er zeigte die historische Entwicklung und Bedeutung der Prinzipalstücke im evangelischen Kirchenraum auf, beginnend mit den liturgischen Reformen der Reformation. Während Martin Luther in seinen Reformen noch behutsam vorging, waren es vor allem Huldrych Zwingli und Johannes Calvin, die sich radikal für eine „Kirche des Wortes“ einsetzten, keinen Schmuck in den Kirchen zuließen außer Bibelworten und auch die Musik aus den Gottesdiensten verbannten. Charakteristisch ist in der reformierten Kirche die Sparsamkeit der Kirchenausstattung. Der Altar wird immer mehr zu einem einfachen Tisch, wichtig sind v.a. Kanzel und Taufstein.

Am Montag Nachmittag sprach Dorothee Mann zur Theologie und Ikonographie der Gestirne. Hierbei wurde der Bogen geschlagen von der Verehrung des Sonnengottes im alten Ägypten und der Verehrung der Gestirne auch in anderen Nachbarvölkern des alten Israel über die Zuspitzung des Gottesbildes im alten Israel auf einen Schöpfergott, der Himmel und Erde geschaffen hat, bis hin zur Verwendung der Gestirne als Symbole für Engel und „himmlische Heerscharen“ sowohl in der Bibel als auch in der christlichen Kunst und Ikonographie.

Am Montag Abend wurden nochmals zwei Teilnehmerbeiträge präsentiert: Über den historischen Orden der Stiftsfrauen von Börstel, von denen nur zehn historische Orden existieren, wonach sich die Zahl der Kapitularinnen richtet, sowie über die Neugestaltung der St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin.

Den Dienstag gestaltete Prof. Dr. Stefan Böntert, Liturgiewissenschaftler an der Universität Bochum. Er begann seine erste Einheit mit den Worten: „Am Anfang der Kirche steht die Vielfalt! Es gibt keine Anleitung, wie Eucharistie gefeiert wurde. Sie wurde im Orient anders gefeiert als im Westen. Die Art und Weise, wie Eucharistie gefeiert wurde, hat sich im Verlaufe der Geschichte mehr als einmal geändert. Akzente verschieben sich. Kirchenbauten sind gebaute Eucharistie.“

Am Vormittag zeichnete er zunächst Grundzüge und Grundverständnis der katholischen Eucharistiefeier in der Epoche nach dem Tridentinum bis in die Gegenwart auf. Die Bedeutung des Konzils von Trient als spirituelle „Qualitätsoffensive“ der Kirche wurde deutlich. Er konnte die jeweiligen Auffassungen nachvollziehbar, schlüssig und verständlich erklären, konnte in die Rolle der Menschen damals „schlüpfen“, so dass diese Tradition stimmig erschien, aber auch ihre Grenzen deutlich wurden, v.a. dass letztlich lediglich der Priester die Eucharistie feiert, das Volk nur „hört“.

Am Nachmittag stellte Prof. Böntert zunächst den Aufbruch der Liturgischen Bewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor, die zur Wegbereiterin der Liturgiekonstitution des II. Vatikanischen Konzils wurde und die neue Wege suchte, um den liturgischen Schwachstellen der letzten Jahrhunderte zu begegnen. Diese Akzentverschiebungen in der Liturgie äußerten sich auch im Kirchbau des 20. und 21. Jahrhunderts. Es wurden Beispiele gezeigt von Kirchen, die im Geist der Liturgischen Bewegung im Stil der „Neuen Sachlichkeit“ gebaut wurden, z.B. Bauten von Dominikus Böhm, Rudolf Schwarz und Emil Steffann. Prof. Böntert zeigte auch die weitere Entwicklung des Kirchenbaus im 20. Jahrhundert auf, die durch das II. Vatikanische Konzil inspiriert und herausgefordert wurde: das christozentrische Circumstantes-Modell, vertreten z.B. von Johannes van Acken, sodann das Modell eines „Communio-Raumes“ und jüngst der „Raum einer gerichteten Versammlung“.

Für Mittwoch war erstmals eine Ganztagsexkursion vorgesehen; Ziel war das ehemalige Kloster Haina (Nordhessen, heute forensische Psychiatrie), wo Dr. Friedrich über 30 Jahre als Pfarrer tätig gewesen war. Er übernahm auch die Führung durch die hochgotische Klosterkirche sowie die ehem. Konventsgebäude mit Kreuzgang, Kapitelsaal, Dormitorium, etc. Aufgrund der beeindruckenden Klosteranlage, der engagierten Führung, der guten Stimmung in der Gruppe, der Sonne und der problemlosen Organisation war die Exkursion sehr gelungen und für Kirchenführer*innen lehrreich.

Am Abend erläuterte Dr. Friedrich noch die erheblichen Probleme, die er in seiner Zeit als Pfarrer hatte, als er anhand der Kirchenbücher die Geschichte der Euthanasie für Haina erforschte und publik machte.

Am Donnerstag Vormittag wurden die Teilnehmer*innen von Prälat Ahrens in eine tiefgründige Gedankenwelt entführt. Ausgehend von der Erfahrung einer Amnesie, eines Gedächtnisverlustes, wurden folgende Grundfragen des Menschen zur eigenen Orientierung gesammelt: Wo bin ich? (Jedes Ding hat seinen Ort!), Wer bin ich? (Jeder Mensch hat seinen Namen und seine Geschichte! Nach Dante ist die größte Strafe in der Hölle, den Namen auszulöschen; dies bedeutet totale Vernichtung!), Was ist passiert? (Wie ordne ich das Geschehen?), Wie geht es weiter? (Frage nach der Zukunft). Von diesen Fragen ausgehend näherte er sich der Frage, was es bedeutet, wenn der Priester in der Eucharistie spricht: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“. Was bedeutet in diesem Zusammenhang „Gedächtnis“? Der Zusammenhang von Gedächtnis und Vergegenwärtigung wurde anhand von Werken christlicher Kunst erarbeitet: Kunst als Trägerin von Gedächtnis/Erinnerung und Vergegenwärtigung. Vergegenwärtigung geschieht, wenn z.B. in frühchristlichen Mosaiken in Santa Maria Maggiore Mose und die Israeliten römische Tuniken tragen. Eine weitergehende Frage in der christlichen Kunst: Wer bin ich, wer bist du im Gedächtnis Gottes?

Auffällig oft wurde im Schlussgespräch für die erlebte „Gemeinde auf Zeit“ gedankt: die gute Gruppenatmosphäre, die gemeinsame Ausrichtung, die ökumenisch ansprechenden Gottesdienste, der Gesang, auch die Ruhe in den Gottesdiensten. Eine neue Teilnehmerin dachte bei ihrer Ankunft: „Das kann ja hier heiter werden“ und sagte zum Abschluss: „Und es wurde tatsächlich sehr heiter“.