Die diesjährige Tagung der HEGGE in Kooperation mit dem KStV Markomannia Münster vom 7.-9. November 2025 lockte wieder viele Teilnehmer und eine Teilnehmerin: 39 Personen zuzüglich der Referenten sowie der Heggefrauen kamen zusammen, diesmal zum Thema „Gentherapie/Genschere CRISPR-Cas“.
Am Freitag Abend wurde zum Tagungseinstieg die SWR Doku: „CRISPR – Revolution im Genlabor“ von Claudia Ruby aus dem Jahr 2017 gezeigt.
Im Anschluss daran wurde in drei Kleingruppen recherchiert, welche Fortschritte diese Technologie in den letzten zehn Jahren gemacht hat.
Dabei wurden drei verschiedene Bereiche unterschieden:
1. Fortschritte in der Humanmedizin: Sind Erbkrankheiten wie die Duchenne-Muskeldystrophie heute mittels Genschere behandelbar?
2. Wie wirkt sich die Genschere auf Botanik und Landwirtschaft aus?
3. Wie sind die Gesetzgebungen in der EU, Großbritannien und USA?
Im anschließenden Plenum wurden folgende Ergebnisse gesammelt:
Zu 1:
Im Jahr 2024 erteilte die EU-Kommission eine Marktzulassung für eine Gentherapie, die die CRISPR-Cas9-Technologie nutzt und für die somatische Behandlung der Sichelzellkrankheit und Beta-Thalassämie verwendet wird.
Auch zur Behandlung verschiedener Formen der Hämophilie, Chorea Huntington, Hepatitis B und HIV gibt es intensive Forschungen und klinische Studien, die beginnende Verfahren zur Medikamentenzulassung eröffnen.
Zu 2:
In der EU sind heute noch keine mittels Genschere erstellten Lebensmittel im Handel, allerdings spielt sie eine große Rolle in der botanischen bzw. landwirtschaftlichen Forschung.
Etwa zwanzig Produkte wie Reis, Mais, Bananen oder Kakao stünden vor einer Zulassung. Die CRISPR-Technologie könnte zum Beispiel durch die Induktion von Resistenzen (z.B. gegen Schädlinge) bei der Bekämpfung des Welthungers und der Anpassung an die Folgen des Klimawandels helfen.
Es wurde diskutiert, ob solche Lebensmittel von der Gesellschaft akzeptiert würden, wie bedeutsam Off-Target-Effekte wären und ob ausreichend „Sortenschutz“ gewährleistet werden könnte.
Zusammenfassend wird dieser Technologie in der Landwirtschaft ein großes Potenzial zugeschrieben.
Zu 3:
Die Rechtsordnungen in den USA, Großbritannien und der europäischen Union unterscheiden sich in Hinblick auf die Genschere stark.
Während in den USA kaum rechtliche Einschränkungen existieren, gilt in der EU seit 2018 ein strenges Gentechnikrecht. Bei diesem europäischen Gentechnikrecht könne allerdings ein Trend zur Liberalisierung erkannt werden.
In Großbritannien gilt seit 2023 mit dem Genetic Technology Act ein deregulierter Rechtsrahmen für Präzisionsgezüchtete Organismen (PBOs). Bei diesem vereinfachten Zulassungsverfahren müssen Experimente mit PBOs nur angemeldet, nicht aber genehmigt werden.
Am Samstag Vormittag warnte der Arzt und Publizist Prof. Paul Cullen (Münster) in seinem Online-Vortrag vor den Gefahren der CRISPR-Technologie, wenn sie unreguliert eingesetzt wird.
Er warnte vor Schritten auf dem Weg zur Eugenik, wo Menschen aufgrund ihrer genetischen Bedingungen in verschiedene Güteklassen eingeteilt werden könnten.
Er führte folgende drei Bedenken an:
1. Eine Behandlung mit der Genschere würde zum Optimierungsversuch
2. Die Technologie sei bisher zu wenig verstanden
3. Nie sei eine künstliche Mutation für das Überleben in der freien Wildbahn förderlich gewesen
Laut Cullen seien Selektion und Neo-Eugenik auf dem Vormarsch, und er verwies auf Island, wo heute fast keine Kinder mehr mit Down-Syndrom geboren werden, da nach pränataler Diagnostik diese Schwangerschaften zu fast 100 % abgebrochen würden.
Da die CRISPR-Technologie im Vergleich zur herkömmlichen Gentechnik viel genauer, schneller, einfacher und billiger sei, sieht auch Professor Cullen in ihr die „gefährlichste Technologie seit der Atombombe“ (Stefan Rehder).
Unter Verweis auf die Experimente von He Jiankui („Der Baby-Bastler“, Der Spiegel) bezeichnet Professor Cullen die Rufe nach einem Moratorium als Nebelkerze und befürchtet eine Dystopie mit Ansage.
Die Möglichkeit von Mensch-Tier-Chimären, die vielleicht auf militärisches Interesse stoßen würden und menschliche Klone als Ersatzteillager werden im zweiten Teil des Vortrages von Professor Cullen genannt.
Begriffe wie „Boutique-Eugenik“, Reproduktionsindustrie und Sklaverei zeigen deutlich, dass Professor Cullen die Würde des Menschen durch die Möglichkeiten der neuen Gentechnik bedroht sieht.
In der sich anschließenden Diskussion wurde der Begriff der Menschenwürde, wie sie im Grundgesetz verbürgt ist, aufgegriffen und die Unterscheidung von somatischer Therapie und Keimbahnmanipulationen hervorgehoben.
Auch das Embryonenschutzgesetz in Deutschland wurde als Schutz vor der Verzweckung des Menschen angeführt.
Am Samstag Nachmittag sprach der Jurist Dr. iur. Timo Faltus (Leipzig).
Herr Dr. Faltus führte aus, wie eine Gentherapie zur Behandlung von Erbkrankheiten herangezogen werden kann. Hier ist die somatische Gentherapie von der transgenerativen Gentherapie (Keimbahntherapie) zu unterscheiden.
Obwohl es in Deutschland einen Patentausschluss auf Keimbahnmanipulationen gibt, ist die Forschungsfreiheit dadurch nicht per se verboten. In Zellkulturen und Tiermodellen kann die neue Gentherapie angewandt werden. Es können Geneditierungstherapien, die den Ersatz eines defekten Gens bewirken sollen, erforscht werden.
In diesem Zusammenhang wurden die drei Probleme der Gentherapie („Delivery, Delivery, Delivery“) anschaulich erläutert: Wie bekommt man das, was wirken soll, an den Ort, wo es wirken soll?
CrisprCas wurde als eine Methode der Genomeditierung beschrieben. Auf die juristische Unterscheidung von Gentherapie und Gentherapeutika wurde hingewiesen. Hier ist eine Reform der Rechtsgrundlagen der Richtlinie von 2001 absehbar, die eine geänderte Blickrichtung aufweist: 2001 galt ein Wirkstoff als Gentherapeutikum, wenn es z.B. gentechnisch hergestellte Nukleasen beinhaltete. Durch die Reform werden nur noch solche Wirkstoffe als Gentherapeutikum deklariert, die eine rekombinante Nukleinsäure beinhalten.
Die individualisierten Krebstherapie und die Phagentherapie (GVO-Phagen) sind zwei Bereiche, die mittels neuer Gentechnik große Fortschritte machen werden.
In der anschließenden Diskussion wurde über die Arzneimittelzulassung, das Heilmittelwerbegesetz, hochpreisige Einmaltherapien und die Gefahren der Eugenik gesprochen.
Am Sonntag Vormittag sprach der Theologe Prof. Dr. Peter Schallenberg (Paderborn) zum Thema Genethik und Gentherapie aus katholischer Sicht.
Prof. Schallenberg erläutert anschaulich die Entwicklung der Ethik mit ihren Ursprüngen in der antiken griechischen Philosophie, die ihrerseits bereits von der ägyptischen Hochkultur beeinflusst wurde.
Die Unterscheidung von Dasein und Sosein erlauben Einblicke in die Seinsethik, die mit der Gottebenbildlichkeit in Verbindung gebracht werden können.
Erst 1827 durch die Entdeckung der weiblichen Eizelle und den Beginn der modernen Medizin werden bioethische Fragestellungen relevant. Da die Heilige Schrift auf konkrete ethische Fragestellungen wenig aussagekräftig ist, sind die Instruktionen von 1987 (Donum vitae) und von 2008 (Dignitas personae) wegweisend.
In der sich anschließenden Diskussion wurde auf das Problem einer säkularen Ethik („Wo habe ich den Wert, wenn ich ohne Gott zurechtkommen muss“), die Philosophie Kants (Kategorischer Imperativ und der Mensch als Zweck an sich) und die Würde des Menschen eingegangen.
Das Embryonenschutzgesetz von 2001 und Embryonenimporte aus Ländern mit liberaler Gesetzgebung wie z.B. Israel wurden kontrovers diskutiert.
Schließlich wurde eine klare Aussage hinsichtlich einer Gentherapie-Ethik getroffen: Als somatische Therapie kann sie gerechtfertigt sein, als Keimbahntherapie nicht. Die Folgen einer Keimbahntherapie sind heute noch nicht absehbar, daher ist diese Nutzung moralisch nicht zu rechtfertigen.
Am Tagungsende wurde der Termin für 2026 vereinbart und Themenwünsche gesammelt.

















