Bei unserer diesjährigen Frauentagung zum 2. Advent standen thematisch die »Menschenwürde und Frauenwürde« im Fokus. Mehr als 30 Frauen folgten der Einladung, das Haus war voll. Eine Reihe von Spitzenreferentinnen konnte gewonnen werden, diese lösten die hohen Erwartungen allesamt ein.
Den inhaltlichen Auftakt gab am Freitag Nachmittag Professorin Dr. Johanna Rahner aus Tübingen, indem sie die ambivalente Beziehungsgeschichte der Kirche(n) zu den Menschenrechten aufzeigte. In ihren Ausführungen wurde klar: Es führt kein direkter Weg von der christlichen Glaubensüberzeugung zu den Menschenrechten. Jedoch ist das zu begrüßen. Wenn es einen direkten Weg gäbe, hätten Nichtchristen ein Problem mit der Begründung der Menschenrechte. Für die Universalität der Menschenrechte ist es notwendig, dass sie nicht in der christlichen Überzeugung allein begründet sind.
Dennoch, so zeigte Prof‘in Rahner auf, gibt es christliche „Samenkörner“:
- Würde, Gleichheit, Freiheit vor Gott = Gal 3,27 sowie 5,1, Gen 1
- Schutz der Schwächeren: vgl. AT / NT. Allerdings handelt es sich hier um eine Tradition der Nächstenliebe, um ethische Verpflichtungen und Normen, nicht aber um einklagbare Rechte.
- Unterscheidung zwischen weltlich und geistlichen Bereichen, zwischen Glaube und Vernunft: Christentum erkennt und akzeptiert von Anfang an Denkwege des Weltwissens, ihre Konkurrenz hält das Christentum aus, mit Ausnahme im 19. Jh.
- Spezifisch christliche Beiträge: Blick auf Religionsfreiheit, Heiligkeit des Lebens (Abreibungsdiskussion, Todesstrafe, Beendigung des eigenen Lebens), Schutz der Ehe und des Elternrechts (Schutz einer Institution, nicht des Individuums), Eigentum verpflichtet (Kath. Soziallehre, durch parlamentarischen Rat in das GG eingebracht).
In der Diskussion wurde deutlich: Menschenrechte sind nicht direkt christlich begründet. Jedoch stünde der kath. Kirche eine christliche Begründung und eine Unterzeichnung der UN-Charta der Menschenrechte gut zu Gesicht: Eine Geltung der Menschenrechte innerhalb der kath. Kirche könnte ihre Glaubwürdigkeit erheblich erhöhen (= nicht freiheitsbeschneidend, offen, demokratische Strukturen). Derzeit hat die Kath. Kirche ein religionspolitisches Akzeptanzproblem, ihre Anerkennung als Körperschaft öffentlichen Rechts ist gefährdet. Sie muss die Menschenrechte in ihrer eigenen Institution anwenden und verwirklichen. Diese Einheit mit Frau Prof‘in Rahner war ein spannender, inspirierender Auftakt in diese Tagung, mit dem Grundlagen geschaffen wurden.
Am Freitag Abend sprach Claudia Auffenberg unter dem Leitwort „Würde in Tod. Trauer. Trost“ über ihre Tätigkeiten und Vorstellungen als fest angestellte Trauerrednerin in einem Paderborner Bestattungsunternehmen. Ihre Aufgabe: Würdevoller Abschied von Menschen, sich kümmern um die Hinterbliebenen, Bestattung als kulturelles Ereignis. Das Bestattungsgesetz in NRW bietet dafür eine brauchbare Grundlage. Wichtig und tröstend sind neue, individuell zugeschnittene Bestattungsformen. Hingegen gibt es öfter Probleme und Störungen in der Zusammenarbeit mit kirchlichen Mitarbeiter*innen oder Priestern. Dieser Programmpunkt war sehr wertvoll: existentiell, nah dran an den Menschen. Stimmen aus dem Schlussgespräch lauteten „sehr einfühlsam und zugewandt, mit ihrem Thema gut vertraut, sehr informativ“.
Am Samstag Vormittag sprach die Münsteraner Professorin Dr. Dorothea Sattler zu der Frage, wie wir wie Jesus Mensch werden können? Wie wir uns an Jesus orientieren können? Sie wählte dazu einen Dreischritt: 1. Wer war Jesus? 2. Wer sind wir? 3. Was bedeutet Christsein heute?
Zu 1: Person und Leben Jesu zeichnete Frau Prof’in Sattler anhand aktueller Stadt- und Landschaftsbilder aus Israel und Palästina nach (u.a. Nazareth, Taufe im Jordan, Jerusalem, etc.) Zu 2: Den Menschen charakterisierte Prof‘in Sattler als ein fragendes Wesen, das immer auf der Suche nach sich selbst ist. Zu 3: Der Blick auf das biologische Leben Jesu muss ergänzt werden durch die Darstellung der spirituellen, geistlichen Entwicklung Jesu, seine „Karriere nach unten“ wie beim barmherzigen Samariter und seinem diakonalen Handeln: Der Gang von Jerusalem nach Jericho bedeutet einen Abstieg um 1000 m in die Tiefe; dort findet er einen (unter die Räuber) Gefallenen, richtet ihn auf und bringt ihn auf seinem „Friedenstier“ (Esel) an einen guten Ort, wo er für ihn sorgen lässt. Dieser spirituelle Weg „nach unten“, die Zuwendung zu den Armen, ist die Verwirklichung von Kirchesein heute: Was in Freiheit getan wird, das bleibt.
In der Mittagspause am Samstag wurde zu der kleinen praktischen Aktion: Würdetafeln brennen eingeladen, nach einer Idee des Diakons und Bildhauers Ralf Knoblauch. Dazu gab es für jede Frau ein Holztäfelchen, in das sie mit einem Brennstempel das Leitwort der Tagung einbrennen konnte: Würde unantastbar. Und dazu eine Krone! Sie gibt ein sichtbares Zeichen: Wir setzen uns ein für die königliche Würde jedes Menschen.
Diese Würdetafel konnten die Teilnehmerinnen für sich mitnehmen als Erinnerung – oder aber das Täfelchen weiterschenken. Jede Würdetafel ist ein kleiner Baustein für eine Zukunft, in der die Menschenwürde einen unabdingbaren Stellenwert hat.
Der Samstag Nachmittag wurde von der Bielefelder Bildhauerin Nina Koch gestaltet. Ihr Thema lautete „Frausein : Menschsein, Gestaltung weiblicher Figuren als Skulptur“. Zur Anschauung hatte sie neben einer PowerPoint-Präsentation auch einige eigene Werke mitgebracht, die im Raum präsentiert wurden: u.a. Katharina von Bora und Katharina Kepler. In Vortrag und Gespräch wurde deutlich, dass der Mensch und insbesondere die Frau in ihrer Würde im Mittelpunkt der künstlerischen Arbeit steht; realistisch dargestellt, wie das Leben prägt, kein abstraktes Bild, nicht idealisiert. Das universelle Thema der Frauenwürde wird in konkreten künstlerischen Arbeiten und in zeitgenössischen Formen interpretiert.
Eine Teilnehmerin sagte beim Schlussgespräch, dass die Skulptur der Katharina von Bora von Nina Koch für sie das Tagungsthema „auf den Punkt“ gebracht hätte: Als eine Frau, die fest auf zwei Füßen steht, aufrecht und voller Dynamik.
Am Samstag Abend wurde der 2. Advent mit einem besonderen Konzert begrüßt und gefeiert. Die Musikerin und Tänzerin Alexandra Pesold aus Fulda ließ in der HEGGE-Kapelle mit einer Vielzahl von Instrumenten die Hoffnungsbotschaft des Jesaja erklingen: „Jubeln werden die Wüste und das trockene Land, jauchzen wird die Steppe und blühen wie die Lilie. Sie wird prächtig blühen und sie wird jauchzen, ja jauchzen und frohlocken. Die Herrlichkeit des Libanon wurde ihr gegeben, die Pracht des Karmel und der Ebene Scharon. Sie werden die Herrlichkeit des HERRN sehen, die Pracht unseres Gottes. Stärkt die schlaffen Hände und festigt die wankenden Knie! Sagt den Verzagten: Seid stark, fürchtet euch nicht! Seht, euer Gott! Er selbst kommt und wird euch retten. Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben werden geöffnet. Dann springt der Lahme wie ein Hirsch und die Zunge des Stummen frohlockt, denn in der Wüste sind Wasser hervorgebrochen und Flüsse in der Steppe. Der glühende Sand wird zum Teich und das durstige Land zu sprudelnden Wassern. Die vom HERRN Befreiten kehren zurück und kommen zum Zion mit Frohlocken. Ewige Freude ist auf ihren Häuptern, Jubel und Freude stellen sich ein, Kummer und Seufzen entfliehen.“ (Jes 35)
Zu hören waren u.a. Flötenspiel, Gitarre und Gesang; in einer Klangreise ertönten Gong und Klangschalen. Ein wunderbarer Tanz berührte tief und brachte die adventliche Dynamik zum Ausdruck.
Am Sonntag Vormittag konnten wir eine online-Konferenz nach Jerusalem einrichten. Rabbinerin Prof‘in Dr. Eveline Goodman-Thau, die der HEGGE seit Jahrzehnten freundschaftlich verbunden ist, sprach über das Frausein inmitten von Krieg – als Mutter, Großmutter und Urgroßmutter, deren Enkel „links, aber jetzt in der Armee sind“, über den „Kampf um Israel“ und ihr bleibendes Vertrauen auf Gott: „Er hat uns das Land gegeben, aber er hat es uns mit den Arabern gegeben. Daher haben wir die Verantwortung.“ Die Spannung zwischen Politik und Religion, der Streit zwischen Demokratie und einer Theokratie sei in Israel ausgebrochen, die Krise sei nach Hause gekommen. Es würde sich zeigen, ob die Charta nur Papier sei. Sie mahnt an, dass der Nahe Osten eine neue europäische Friedensinitiative braucht und dass es einen groß angelegten Aufbau in Gaza geben muss. Ihr Fazit: „Ich glaube an den Messias, obwohl er ausbleibt.“
Im Schlussgespräch brachten die Teilnehmerinnen ihre Eindrücke des Wochenendes ins Wort. Sie äußerten sich dankbar für eine wunderbare Tagung, fühlten sich gestärkt durch vielfältige Beiträge und guten Austausch. Dabei waren es besonders die zahlreichen verschiedenen Perspektiven auf das eine Thema, die beeindruckten: »Einfach Mensch sein«.