Veröffentlichung: 20.07.2017


Ein Lebensbild: Emmi Ottensmann

Am Tag der Beerdigung von Frau Emmi, am 2.8.2017, wurde von der Oberin der Hegge, Lic.theol. Dorothee Mann, in der Kapelle der Hegge das Lebensbild der Verstorbenen aufgezeigt:

Emmi Ottensmann wurde am 14. Juli 1927 in Hüsten (Kreis Arnsberg) als sechstes von sieben Kindern geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie zum großen Teil im Schulgebäude von Hüsten, in dem Vater Ferdinand Ottensmann als Schulhausmeister mit seiner Frau und seiner Kinderschar wohnte. Bei der Familie wohnten auch noch eine Großmutter sowie eine Tante. Die Kinder halfen selbstverständlich dabei, Klassenräume und Treppenhaus zu putzen, das Grundstück in Ordnung zu halten. Von Kindheit an lernte Emmi zu arbeiten, von Kindheit an lernte sie, in einer Gemeinschaft zu leben und für eine größere Gemeinschaft zu denken. Sie verfügte über ein ausgeprägt soziales Gespür.

Nach dem Besuch der katholischen Volksschule in Hüsten folgte zunächst ein hauswirtschaftliches Pflichtjahr in Grevenstein, von 1942 an eine kaufmännische Lehre in der Firma Clemens Wiese, einem Textilfachgeschäft in Neheim, in dem Emmi nach erfolgreicher Abschlussprüfung übernommen wurde.  Hoch geschätzt aufgrund ihrer Zuverlässigkeit, Unbestechlichkeit und Umsicht genoss sie das Vertrauen von Clemens Wiese. Ab Mai 1954 holte ihr Chef sie ins Büro und setzte sie gelegentlich auch in der Änderungsschneiderei ein.

Der Lehre folgten berufsbegleitende Weiterbildungen in Stenografie, im Schreibmaschinen-Schreiben, von 1956 bis 1958 besuchte sie ein Soziales Seminar als Abendkurs in der Kommende Dortmund.

Darauf folgte ihre Entscheidung für die Hegge.

Emmi Ottensmann wuchs auf in einer großen Familie, die materiell arm gewesen sein mag, in der den Kindern jedoch Liebe und Güte geschenkt sowie ein stabiles christliches Fundament, eine klare Werteordnung und Gemeinwohlorientierung vermittelt worden war. Dem allmählichen Erstarken der nationalsozialistischen Lehre begegnete man im Hause Ottensmann mit Skepsis, ja Abscheu. Halt, Orientierung und Gemeinschaft suchte und fand die junge Emmi nicht in der HJ, sondern in der katholischen Jugend ihrer Pfarrei St. Johannes Baptist in Neheim, wohin die Familie 1943 umgezogen war. Emmi gehörte in dieser Pfarrei zu einer damals illegalen Jugendgruppe, deren Treffen nicht im Pfarrhaus stattfinden durften. Man verabredete sich daher unauffällig in den Wohnungen der einzelnen Mitglieder.

Nach Ende des Krieges gehörte Emmi zu jener Handvoll junger Leute, die die katholische Jugendarbeit in Johann-Baptist von Grund auf neu überdachten und aufbauten. Emmi übernahm die Führung zweier Mädchengruppen, einer Gruppe Schülerinnen sowie einer Gruppe berufstätiger junger Frauen. Das Gruppenleben vollzog sich neben dem regelmäßigen Gottesdienstbesuch v.a. in wöchentlichen Heimabenden. Sonntags standen Wanderungen oder Fahrradtouren durch das Sauerland auf dem Programm.

Das Fahrradfahren pflegte sie weiterhin mit Begeisterung! Mit ihren Freundinnen und Freunden radelte sie von Jugendherberge zu Jugendherberge in Süddeutschland und in den Alpen.

Die Katholische Jugend war eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft.

Gern erzählte Emmi auch von den sommerlichen Zeltlagern, zu denen sie bis zum Beginn ihrer Heggezeit als Jugendführerin mitfuhr und wo sie Verantwortung übernahm.

Prägend und kostbar waren ihr – neben den beruflichen Weiterbildungen – Schulungen für  Jugendführerinnen. Zu nennen sind hier v.a. die Führerinnenkurse durch Maria Calaminus in Neheim, an Wochenenden im Jugendhaus Hardehausen der Erzdiözese Paderborn und nicht zuletzt – mit bleibender Wirkung – ein vierwöchiger Führerinnenkurs 1947 auf der Hegge.  Hier kam ein erster Kontakt zustande mit dem neuen, beherzten, selbständigen Aufbruch junger Frauen nach Ende des Krieges inmitten der Hunger- und Aufbaujahre – auf der Suche nach einer neuen kirchlich-gemeinschaftlichen Lebensform.

Hier wurde ein Same gelegt, der bei Emmi zehn Jahre später aufgehen sollte.

Frau Lydia Glanz, erste Oberin der Hegge, wurde für Emmi zu einer zentralen Gestalt, die Emmi den Weg auf die Hegge wies. Im April 1958 begann sie ihre Probezeit auf der Hegge. Am 30.12.1959 legte sie ihre ersten Gelübde ab.

Emmi war eine „Schafferin“. Ausgestattet mit praktischer Intelligenz, gesundem Menschenverstand und zupackendem Fleiß wurde ihr in den ersten Jahren insbesondere die Betreuung der Gästezimmer und die Wäscherei übertragen. Damals hatten wir noch nicht den großen Stab von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den wir heute beschäftigen; die meiste Arbeit wurde von Hegge-Frauen bewältigt.

Ab 1965 wurde Emmi von Oberin Lydia Glanz die Buchhaltung der Hegge-Gemeinschaft sowie die Buchhaltung und Lohnbuchhaltung des Christlichen Bildungswerks übertragen, die sie bis in den Frühsommer 2017, also 52 Jahre lang, klug und zuverlässig betreute; seit 1998 unterstützt von Ursula Atam, in den letzten Jahren auch unterstützt von Hildegard Richard sowie seit knapp einem Jahr von Annette Sürig-Tenge. Zu ihren weiteren Aufgaben gehörte früher der Einkauf des Wirtschaftsbedarfs, sowie die Verwaltung und Einsatzplanung des hauswirtschaftlichen Personals einschließlich der Lehrlinge. Zu etlichen ehemaligen Praktikantinnen und Lehrlingen pflegte sie über Jahrzehnte freundschaftlichen Kontakt.

Emmi kam dem Bild sehr nahe, das der heilige Benedikt in seiner Mönchsregel vom Cellerar, dem Ökonomen des Klosters, zeichnet:

Ich zitiere Auszüge aus dem 31. Kapitel der regula benedicti:

„Als Cellerar des Klosters werde aus der Gemeinschaft ein Bruder (eine Schwester) ausgewählt,
der weise ist,
reifen Charakters
und nüchtern.
Er sei nicht maßlos (…),
nicht überheblich,
nicht stürmisch,
nicht verletzend, (…)
nicht verschwenderisch.

Vielmehr sei er gottesfürchtig
und der ganzen Gemeinschaft wie ein Vater (eine Mutter).

Er trage Sorge für alles.
Ohne die Weisung des Abtes tue er nichts;
an seine Aufträge halte er sich.
(…)
Falls ein Bruder unvernünftig etwas fordert, kränke er ihn nicht durch Verachtung, sondern schlage ihm die unangemessene Bitte vernünftig und mit Demut ab.
(…)
Vor allem habe er Demut.
Kann er einem Bruder nichts geben,
dann schenke er ihm wenigstens ein gutes Wort.“

Viele besondere Verdienste von Frau Emmi wären zu nennen. Ich möchte mich beschränken auf ein eher unauffälliges Beispiel: Emmi setzte sich  – im Interesse des Ganzen und mit Erfolg – dafür ein, auch jene Mitarbeiterinnen bei Laune zu halten, die im Umgang schwieriger und anstrengender waren, für die Zukurzgekommenen und psychisch Labilen. Sie tat das im Hintergrund, ohne viele Worte darüber zu verlieren, aber ausdauernd, mit bewundernswerter Geduld, teilweise über Jahrzehnte, frei von persönlichem Interesse, geleitet allein von der Weisung des Evangeliums: „Nehmt einander an“ und der nüchternen Einsicht, dass auch strapaziöse Mitmenschen ihren Platz haben im großen Heilsplan Gottes. So sorgte sie – neben aller Verwaltungsarbeit und Buchhaltung – auf ihre Art, im Hintergrund, aber nachhaltig, für Frieden, Ausgleich und Zusammenhalt in der Hausgemeinschaft.

Vergangenen Freitag, am 28. Juli 2017, verstarb Frau Emmi nach kurzer, schwerer Krankheit im Beisein von Dr. Gerda Bär, einer Mitschwester des Hegge-Rings.

Danke, Emmi, für alles! Wir werden Dich sehr vermissen!