„Wechselnde Pfade,
Schatten und Licht,
alles ist Gnade,
fürchte dich nicht.“
Dieser Gebets- und Liedvers wurde bereits am Mittwoch Abend bei der Einführungsrunde zur „Überschrift“ der gemeinsamen Tage gewählt – oder vielmehr zum Grundton der vielen Variationen, Kapriolen und Bitternisse, die das Leben mit den 28 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Kar- und Ostertage bislang gespielt hat. Nach einem intensiven ersten Austausch in Kleingruppen über Erfahrungen von Eingekerkertsein (Gefangensein) und Befreiung, von Zweifel und Vertrauen sollte ein Leitwort bzw. eine Überschrift gefunden werden, das diesen Kaleidoskop an Erfahrungen zum Ausdruck bringt. Nach einer kontroversen Debatte um angemessene Formulierungen brachte eine Teilnehmerin diesen Liedvers in die Diskussion – und schlagartig waren alle einverstanden, erleichtert und stimmten zu. Der Kanon wurde auch sogleich angestimmt und wurde in den folgenden Tagen zu einer Art Kehrvers, der das Programm trug, inspirierte und formte.
Der Donnerstag Vormittag wurde von Maria Hungerkamp und Pfr. Dr. Claus Lücker mit einer theologischen Besinnung auf biblische, insbesondere alttestamentliche Erfahrungsbilder von Befreiung gestaltet. Der Einstieg war provokant: Beim ersten Beispiel, dem biblischen Befreiungsparadigma von der Rettung am Schilfmeer (Ex 14), wurde als Vergleichspunkt für die Zuhörenden nicht (wie gewöhnlich) das Volk Israel gewählt, die aus der Knechtschaft in die Freiheit ziehen, sondern die Ägypter, die die Schwachen unterjochen, ausbeuten und ihren Wohlstand durch sie sichern: „Wir sind die Ägypter…“. Im zweiten Schritt wurden alttestamentliche Bilder von Rettung, Befreiung und Erlösung aufgezeigt: Gott bewahrt in Todesnot und Ausweglosigkeit das Leben und schenkt neue Möglichkeiten: Dem Daniel in der Löwengrube, dem Jona, der vom großen Fisch (=von den Mächten des Todes) umfangen war.
Ein wunderbares Wort wurde uns geschenkt: „Christliche Gemeinschaft ist eine Nichtausschluss-Gemeinschaft“ (Schottroff).
Der Donnerstag Nachmittag galt der Vorbereitung der Abendmahlsfeier: Zunächst mit einer Singeprobe, geleitet von Marianne Stommel; sodann mit der praktischen Vorbereitung und Gestaltung des Festraumes mit Tische schleppen, Tische decken mit Tischdecken, Kerzen und Blumen, die Rollen an den Tischen verteilen (Tischdiener, Lektoren, etc.).In diesem Jahr war die Abendmahlsfeier so organisiert, dass jeder Tisch eine kleine eigene Gemeinde bildete, an der jeweils das Brot gebrochen und die Schrift geteilt wurde. Zugleich gab es Passagen (Lesungen, Gebete Trinksprüche), die für alle Tische zugleich galten. Beim Brot teilen und im Gespräch wurde Mahlgemeinschaft erfahrbar und Vertrauen vertieft.
Am Karfreitag hat Damian Lazarek zunächst die Struktur von Psalm 22, dem Sterbegebet Jesu, erschlossen. Anhand des dort vorliegenden viergliedrigen Aufbaus wurden von der Gruppe vier Stationen eines Klage- und Vertrauensweges gestaltet: Vertrauen und Vertrauensbruch, Ängste und Dank. Dieser Weg „endete“ unter dem Kreuz der Karfreitagsliturgie in der Kapelle.
Bei der Karfreitagsliturgie wurde die Passion mit unterschiedlichen Lektoren und großer Eindringlichkeit vorgetragen bzw. gespielt. Dabei wurden verschiedene Orte im Kapellenraum genutzt, was die Präsentation nochmal lebendiger machte.
Freitag Abend bot Pfr. Lücker eine Bildbetrachtung mit Rundgespräch an zu zwei Kunstwerken von Ewald Mataré: ein Kreuz in der Krefelder Pax-Christi-Kirche sowie ein Dornbusch in der Aula des Thomaeum zu Kempen. Es war ein lebendiger Austausch, sehr passend zum Karfreitag.
Der Samstag begann mit einer einfachen, aber eindrucksvollen 10-minütigen Meditations- und Sehnsuchtsübung im Freien, angeleitet von Maria Hungerkamp.
Nach Morgengebet und Frühstück teilte die Gruppe sich in zwei Workshops auf: Bibliodrama, angeleitet von Maria Hungerkamp, zu Ex 14; sowie ein Godly Play-Workshop zu Elija unter dem Ginsterstrauch (1 Kön 19), angeleitet von Dr. Delia Freudenreich. So unterschiedlich die Methoden auch waren: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beider Gruppen erhielten einen existentiellen Zugang zu einem biblischen Text, ließen sich voll darauf ein und stiegen dadurch tief ein in die dramatische und befreiende Wirklichkeit der Texte.
Am Samstag Nachmittag lud Maria Hungerkamp zu einer Körperübung ein, in der das Auf-richten und Auf-stehen bewusst körperlich erfahren und erprobt wurde.
Am späten Nachmittag erläuterte Frau Dorothee die theologisch-liturgische Struktur der Osternacht. Darauf folgte nochmals eine Singeprobe unter Anleitung von Marianne Stommel.
Die Feier der Osternacht wurde wieder als vielfache Ermutigung und Stärkung erfahren: durch die Elemente von Feuer, Wasser, Wort und Brot, durch die Verbündung mit den Glaubenszeugen durch die Geschichte hindurch in der Allerheiligenlitanei (jenseits der Historie). Eine Premiere auf der Hegge gab es in diesem Jahr beim Exsultet: Erstmals wurde die neuere, zeitgemäße Textversion von Burg Rothenfels gewählt, vorgetragen von Marianne Stommel. Auch sonst waren in diese Liturgie sehr viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer aktiv einbezogen: als Lektor/innen, Kantorin, Ministrantinnen, beim Hochgebet, in einer Leibübung vor dem Gloria. Die Osternacht endete sehr fröhlich im Hegge-Keller bei Wein, Brot und Hasen aus Kuchenteig.
Der Ostersonntag wurde nach Frühstück und Osterlaudes mit einem Osterspaziergang bei strahlender Sonne begonnen. Danach wurde in Kleingruppen ausgetauscht, was für die Einzelnen jeweils besonders wichtig war in diesen Tagen. Daraus sollte jede Gruppe ein gemeinsames Motto formulieren und im Plenum vortragen:
1. „Beglückende Glaubenserfahrungen durch ökumenische Offenheit und großer Achtsamkeit füreinander“
2. „Aktiv sein auf wechselnden Pfaden in Gemeinschaft“
3. „Keiner kann alles, jeder kann etwas. Das macht Gemeinschaft aus.“
4. „Ich und Wir vertrauensvoll unterwegs; näher an der Auferstehung als am Grab.“
5. „FREUDE!“
Als unverzichtbare Säule der Kar- und Ostertage hat sich auch diesmal die Musik erwiesen, insbesondere die musikalisch-thematischen Impulse für den jeweils eigenen Charakter jedes Tages durch das Cello (Monika Kasper) und die Orgel (Marianne Stommel).
Besonders wertvoll war es zu erleben, dass die 28 Individuen sich sehr schnell zu einer „Gemeinde auf Zeit“ verwandelten. Es ist gelungen, einen existentiellen Weg gemeinsam zu gehen – durch Höhen und Tiefen, durch Täler und Hügel einander zu stützen und zu ermutigen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich vom ersten Abend an auf diesen Weg und die Methoden eingelassen.
Besonderer Dank gilt Maria Hungerkamp und Pfr. Dr. Claus Lücker, die diese Tage maßgeblich mitgestaltet haben. Neben ihrer theologisch-spirituellen Qualifikation ist die besondere Stärke von Maria Hungerkamp die bewusste Einbeziehung der Leibarbeit in das Gesamtprogramm. Pfarrer Dr. Lücker zeichnet sich besonders dadurch aus, dass er ein völlig unklerikales Priestertum lebt und präsentiert und das „allgemeine Priestertum“ fröhlich willkommen heißt, wo immer es sich gerade zeigt.