Menschliche Beziehungen sind, wie wir gerade in der aktuellen Zeit erleben, auch „politisch“. Sie sind nicht selten aufgeladen mit Emotionen und Symbolen. Es fällt uns allerdings zunehmend schwerer, miteinander (demokratisch) zu streiten. Viele Menschen fühlen sich verunsichert, wenn es darum geht, rechten Parolen und Handlungen zu widersprechen, etwas dagegen zu setzen. Dies gilt sowohl für den öffentlichen Raum, am Arbeitsplatz, aber auch im persönlichen Umfeld.

Hinzu kommt, dass wir uns in einer postfaktischen Zeit befinden, wo sich die Frage stellt:  „Wie kann ich mit Argumenten überhaupt jemanden überzeugen, wo niemand mehr jemandem etwas glaubt?“  Aber unsere Demokratie braucht mehr denn je Menschen, die für sie einstehen, Menschen, die den Mut haben, etwas gegen antidemokratische Entwicklungen zu tun.

Genau hier setzte das Training an: Die zentrale Frage lautete: Wo sind meine Handlungsmöglichkeiten zur Bewahrung der Demokratie?

Das Seminar wurde von apl. Prof. Dr. Klaus Peter Hufer, der zugleich der Entwickler vom „Argumentationstraining gegen Stammtischparolen“ und damit ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet ist, geleitet.

Unser Referent:

Apl. Prof. Klaus-Peter Hufer, Duisburg-Essen, ist außerplanmäßiger Professor an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen in der Erwachsenenbildung. Zu seinen Arbeits- und Forschungsschwerpunkten zählen u. a. politische Erwachsenenbildung, politische Bildung gegen Rechtsextremismus und Politikdidaktik. Seine Publikation „Argumentationstraining gegen Stammtischparolen“ ist bereits in 10. Auflage erschienen.

Vom 15. bis 17. November 2024 fand das Seminar „Argumentationstraining gegen Stammtischparolen“ unter der Leitung von Prof. Klaus-Peter Hufer mit 22 Teilnehmern und Teilnehmerinnen auf der HEGGE statt.

Zusammenfassung des Seminars:

Das Seminar startete nach dem Kaffeetrinken am Freitagsnachmittag. Nach der Begrüßung und der Klärung organisatorischer Fragen, führte Dr. Sandra Legge mit einem Vortrag über „Vorurteile – warum wir sie haben und wie wir sie überwinden können“ in die Thematik des Wochenendes ein. Im Anschluss daran erfolgte der Einstieg in das Argumentationstraining. Prof. Hufer stellte die Entwicklungsgeschichte des Trainings, die dahinterliegende Methodik, die Vorgehensweise sowie das Potential der Maßnahme vor.

Der Samstagvormittag begann mit der Frage: „Was sind Stammtischparolen und was sind keine?“ Die Antworten wurden im Plenum beantwortet und zusammengetragen. In einer sich anschließenden Kleingruppenarbeit wurden gängige Stammtischparolen in unserer Gesellschaft gesammelt. Die Gruppen arbeiteten intensiv und stellten über 80 Stammtischparolen zusammen. In einem ersten Rollenspiel im „Restaurant Deutsches Eck“, konnten dann drei Personen Teile der zusammengetragenen Stammtischparolen vertreten, während drei andere Teilnehmer und Teilnehmerinnen versuchten, die Stammtischparolen zu entkräften. Im Rahmen dieses Rollenspiels wurden erste wichtige Erkenntnisse gewonnen und zusammengetragen.

·         Den Redefluss von Menschen mit populistischen Äußerungen zu unterbrechen, dies kann sehr gut über gezieltes Nachfragen passieren  („Wer sind die?“ „Wirklich alle?“ „Was genau meinst du damit?“ etc.).

·         Nicht (nur) die Person mit populistischen Äußerungen fokussieren, sondern das „Publikum“ mitdenken

·         Ironie kann gezielt eingesetzt, als angemessene Reaktion auf Stammtischparolen wirkungsvoll sein

·         Themensprünge von Menschen mit populistischen Äußerungen unterbinden („Du hast doch gerade über… gesprochen“).

Abschließend wurde im Plenum über die sog. rote Linie in Gesprächen diskutiert und verbindlich festgehalten. Es gibt Grenzen des Argumentierbaren, worunter die Holocaustleugnung und weitere strafrechtlich relevante Äußerungen fallen. In diesen Fällen sollte immer die Exit-Option gewählt werden.

Am Samstagnachmittag wurden die Tipps und Anregungen auf Argumente am Stammtisch zu reagieren, weiter konkretisiert. In diesem Zusammenhang hat Prof. Hufer 10 Tipps zum Umgang mit populistischen Parolen vorgestellt:

1.   Tappen Sie nicht in Komplexitätsfallen

2.   Lehnen Sie Kategorisierungen ab. Es gibt kein „Die“

3.   Stellen Sie Regeln her

4.   Suchen Sie nach Verbündeten

5.   Bauen Sie Brücken

6.   Arbeiten Sie mit Ironie, nicht mit Zynismus

7.   Fragen Sie immer weiter, bis zur letzten Konsequenz

8.   Lassen Sie sich nicht in eine endlose Diskussion verwickeln (Sprich es klar aus – tritt fest auf – hör bald auf)

9.   Seien Sie sich bewusst, dass ein Gespräch nie wirklich zu Ende ist, auch wenn es formal beendet wurde.

10.  Bleiben Sie gelassen; Sie alleine können zwar die Welt nicht ändern,   aber Sie sind nicht alleine, viele denken so wie Sie.

Weitere Grundregeln in diesem Zusammenhang sind:

1.   Die Person annehmen, die Position ablehnen

2.   Wer schweigt, stimmt zu (Schweigen ist keine Option)

3.   Belehrung kommt gegen Erfahrung nicht an.

Am Samstagabend hat Prof. Hufer den Teilnehmenden zwei Kurzfilme präsentiert. In dem ersten Film wurde das Interview mit Markus Krall, Unternehmensberater und Rechtspopulist gezeigt (Informationen zur Person: https://de.wikipedia.org/wiki/Markus_Krall). Im Anschluss erfolgte die Analyse der Strategien von Rechtspopulisten und ihrer Wirkung. Im zweiten Interview wurde anhand einer nachgestellten Szene verdeutlicht, wie geäußerte Stammtischparolen wirkungsvoll entkräftet werden können.

Der Sonntagvormittag begann mit einem sog. „Speed-Dating“. Eine Person wählte eine der vielen, zusammengetragenen Stammtischparolen aus, während eine andere, ebenfalls von der Person ausgewählt, in einem zweiminütigen Gespräch dagegenhielt und auf der Basis des Gelernten versuchte, die Stammtischparole zu entkräften. Nach der Auswertung der unterschiedlichen Speed-Dating-Situationen informierte Prof. Hufer über die Probleme, die durch kognitive Dissonanz (Festinger) in Gesprächssituationen mit Stammtischparolen auftreten können. Dadurch, dass wir Menschen bestrebt sind, unsere Einstellungen in Einklang mit unserem Verhalten zu bringen, ist ein Dagegenhalten bei Stammtischparolen, die von Menschen stammen, die wir eigentlich sympathisch finden, sehr schwierig. In Gruppenkontexten nimmt diese Problematik nochmal zu.

Das Seminar endete mit einem Schlussgespräch. Einige O-Töne von Teilnehmenden werden im Folgenden aufgeführt:

·         Ich brenne darauf, einen AfD-Menschen zu treffen.

·         Meister bin noch nicht, aber es wurde mir viel aufgezeigt, was ich tun kann.

·         Gemeinschaft stärkt einen – man weiß, wir sind nicht alleine.

·         Fokuswechsel, nicht den Gegner überzeugen, sondern die Zuhörer in den Fokus nehmen.

·         Ich darf optimistisch sein.

·         Mir ist der Ernst der Lage erst hier so richtig bewusst geworden – und dass ich Dinge in der Hand habe.

·         Mein Thema ist im Laufe des Seminars die Sprache geworden. Ich nehme mit, dass ich sorgsamer mit meiner Sprache umgehen will – ich möchte mehr über die Strukturen der AfD kennenlernen.

·         Meine Erwartungen sind absolut erfüllt worden. Ich würde mir wünschen, eine Fortsetzung zu erfahren.

·         Ich habe mich vorher immer einschüchtern lassen und habe jetzt mehr Selbstsicherheit bekommen.

·         Vielen Dank für den HEGGE-Geist, der uns wieder umweht hat.

Ganz am Ende stand die Frage, ob nicht auch Demokraten und Demokratinnen ein Erkennungszeichen haben könnten, damit mensch um Verbündete in bestimmten Situationen weiß.

Nach kurzer Diskussion berichtete Prof. Hufer, dass die norwegische Bevölkerung zur Zeit der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht im April 1940 das Tragen einer Büroklammer am Kragen oder Revers als Symbol der Verbundenheit mit König und Regierung einführten. Die Büroklammer sollte für das „Zusammenhalten“ der Norweger stehen. Viele Teilnehmenden begrüßen diese Idee und verständigen sich darauf, diese in den eigenen Kreisen zu streuen.