Veranstaltung war am: 07.02.2025 15:00 - 09.02.2025 15:00


Braucht Demokratie Religion?

Diese Frage wird angesichts der aktuellen Entwicklungen (wieder) kontrovers diskutiert. Eine wachsende Zahl an Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes scheint sich von der demokratischen Idee abzuwenden. Solidarität und eine gemeinsame Wertebasis innerhalb der Gesellschaft schrumpfen, und es gibt zunehmend Menschen, die sich einsam fühlen.

Auf der einen Seite wird Religion als Wurzel für zahlreiche Probleme betrachtet und vielfach für ihre undemokratischen Strukturen kritisiert. Der Trend zur Abwendung von religiösen Institutionen scheint ungebrochen. Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus.

Auf der anderen Seite werden die positiven Aspekte von Religion mit Blick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt, den interkulturellen Dialog, der gemeinsamen Wertebasis und der Möglichkeit von Gemeinschaftserleben deutlich. Unabhängig von zahlreichen Kirchenaustritten scheint die Suche nach dem Sinn des Lebens und nach Halt im Alltag selten so stark wie in der gegenwärtigen Situation.

Im Rahmen unserer Tagung sind wir tiefer in die Diskussion eingestiegen und haben die zentrale Frage mit ausgewiesenen Experten und Expertinnen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.

Nach der Begrüßung und Einführung in die Thematik übernahm Christine Lieberknecht (ehem. Ministerpräsidentin von Thüringen und Theologin) den Eröffnungsvortrag mit der Thematik: „Demokratie und Religion – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einer nicht immer leichten Beziehung“. Zunächst bestimmte Frau Lieberknecht den Demokratiebegriff, beschrieb im Weiteren das Verhältnis von Demokratie und Kirche, wobei sie darauf hinwies, dass erst nach dem 2. Weltkrieg innerhalb der Kirche(n) eine Hinwendung zu mehr Demokratie erfolgte. Im Anschluss daran kam sie auf die gegenwärtigen Herausforderungen zu sprechen (Stichworte: Eine Überdosis an Weltgeschehen, pol. Empörungsunternehmen, gesunkenes Institutionenvertrauen). Abschließend behandelte sie die Frage: „Braucht Demokratie Religion?“ indem sie darauf verwies, dass Demokratie zunächst einmal gute Demokraten und Demokratinnen benötige, die Kirche(n) in diesem Zusammenhang wichtige Partner:innen seien, aber keine Monopolstellung hätten.

Die Einheit am Samstagvormittag wurde inhaltlich von Pfarrer Franz Meurer gefüllt mit dem Thema: „Warum Religion für jeden einzelnen und unser Zusammenleben wichtig ist“. Den Einstieg wählte er über verschiedene literarische Werke (u.a. Hartmut Rosa „Demokratie braucht Religion“, Oliver Scherz: „Sieben Tage Mo“, Clara Dupont-Monod „Brüderchen“, Didier Eribson „Die Rückkehr nach Reims“). Anhand dieser literarischen Beispiele zeigte Meurer auf, welche Bedeutung das wirkliche „Gehört werden“ in unserer Gesellschaft für den Zusammenhalt hat bzw. was passiert, wenn wir nicht mehr wirklich „Zuhören“ bzw. „gehört werden“. Dazu Meurer: „Wenn wir die Menschen im Maschinenraum nicht wahrnehmen, dann haben wir ein Problem“. Zur Beantwortung auf die Frage, was wir der zunehmenden Entfremdung in unserer Gesellschaft entgegnen können, bezog er sich u.a. auf Assmann, Jan und Aleida („Gemeinsinn“), Richard Sennett („Zusammenarbeit“), Rutger Bregmann „Im Grunde gut“), Heinz Bude („Solidarität“ ) und Navid Kermani („Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen“). Meurer unterstreicht in seinen Ausführungen die Wichtigkeit des Handelns ohne zu fragen, wer mitmacht, dies verdeutlicht er auch an den positiven Beispielen aus dem lebendigen Leben seiner Gemeinde und verweist in Anlehnung an Armin Nassehi darauf, dass Gemeinsinn solange ein Etikettenschwindel bleibt, wie man ihn nur mit Gleichgesinnten pflegt.

Am Samstagnachmittag stand das Thema: „Demokratie, Religion und Werte – Überlegungen zu einem spannungsreichen Verhältnis an. Dr. Patrick Rohs von der Universität Wien übernahm diesen Part. Es wurde deutlich herausgearbeitet, dass die Beantwortung der Tagungsfrage immer in Abhängigkeit von der Begriffsbestimmung zu betrachten sei. Demnach zeigt ein exklusivistisches Religionsverständnis eine andere Wertebindung als ein pluralistisches Religionsverständnis. Auch der Individualisierungsgrad des Religiösen ist bei der Beantwortung der Frage zu berücksichtigen. Schließlich weist er im Rahmen seiner Ausführungen auch darauf hin, dass Kirchen anders verfasst seien als der demokratische Staat, wodurch prinzipiell ein Spannungsverhältnis gegeben sei.

Am Samstagabend referierte Prof. Michael Jäckel (Universität Trier) zu dem Thema: „Nah- und Fernbeziehungen: Das schwierige Verhältnis von Politik und Religion. Dabei stellte er anhand der Geschichte dar, wie neben der offenbarten Religion, die natürliche Religion (Rationalismus) erwachsen sei  – aus dem Bedürfnis der wachsenden Rationalisierung der Welt („Die heimliche Religion der Gebildeten“), zeigte abschließend aber auch, dass selbst moderne Sinnsysteme (Konsum, Therapie-Bewegung, Köperbewusstsein) ohne Anleihen im Religiösen nicht auskommen.

In der Einheit am Sonntagvormittag wurde der Fokus auf „Im Vertrauen auf Gottes Geist die Demokratie neu beleben“ gerichtet. Bischof a.D. Dr. Dr. Markus Dröge war der Referent dieser Einheit und ging der Frage nach, wie ein Individuum, aber auch eine Gemeinschaft spirituell ermutigt werden können, sich gesellschaftlich/demokratisch einzubringen. In diesem Zusammenhang rekurrierte er auch auf die Erklärung der deutschen Bischofskonferenz https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2024/2024-023a-Anlage1-Pressebericht-Erklaerung-der-deutschen-Bischoefe.pdf.

Auf die Frage, welche Kräfte Christen für den Erhalt der Demokratie zur Verfügung stehen, verwies Dröge auf die christliche Spiritualität und die Schöpfungskraft. Dröge führte weiter aus, dass dort, wo der heilige Geist wirkt, menschliche Unterschiede aufgehoben und bipolares Denken überwunden werden und stattdessen vielperspektivisch gehandelt und gedacht wird.  Die Tagung endete mit einer kurzen Podiumsdiskussion.

 

Unsere Referenten und Referentinnen:

Dr. Dr. h.c. Markus Dröge, Bischof i.R., Berlin *1954, 1985 bis 2009 Pfarrer und Superintendent in Koblenz, 2000 Promotion in Heidelberg bei Michael Welker mit einer Arbeit über Jürgen Moltmann: „Kirche in der Vielfalt des Geistes“, 2002-2004 Ausbildung zum Systemischen Berater, 2009-2019 Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, 2014-2021 Mitglied des Rates der EKD, seit 2021 Vorstandssprecher der Stiftung Zukunft Berlin.

Prof. Michael Jäckel, Trier ist Professor für Soziologie an der Universität Trier. Zu seinen Schwerpunkten gehören die Konsumsoziologie, die Mediensoziologie und die Soziologie der Zeit. Er hat zahlreiche Standardbeiträge und Einführungsbücher verfasst. Von 2011 bis 2023 war er Präsident der Universität Trier. Er war von 2014-2022 Mitglied des Rats für Informationsinfrastrukturen, er ist Vorsitzender des Stakeholder-Dialogs im Hochschulforum Digitalisierung und seit Mai 2024 Sprecher des Leitungsgremiums des Virtuellen Campus Rheinland-Pfalz.

Prof’in Dr. Meltem Kulaçatan, Nürnberg ist Professorin für Soziale Arbeit an der Internationalen Hochschule in Nürnberg. Sie war Projektleiterin verschiedener wissenschaftlicher Projekte, u.a. im Teilprojekt „Religiöse Selbstentwürfe junger Muslime und Musliminnen in pädagogischen Handlungsfeldern“ (2017 – 2021). Zu Ihren Forschungsschwerpunkten zählen u.a. Jugend, Religion mit Schwerpunkt Islam, Migration, jüdisch-muslimische Gegenwartsbeziehungen sowie islamistische Radikalisierung und Radikalisierungsprävention in Deutschland.

Christine Lieberknecht, Erfurt Jg. 1958, Theologin und Politikerin, u.a. 2009-2014 Thüringer Ministerpräsidentin, Vorstand der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, stellv. Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises von CDU/CSU und Vorstand der Internationalen Martin-Luther-Stiftung; Präsidentin des Thüringer Wanderverbands e.V. Während ihres beruflichen und ehrenamtlichen Einsatzes für Kirche, Politik und Gesellschaft lernte Lieberknecht sowohl die Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten zwischen diesen Bereichen aus eigener Erfahrung kennen. Ihr persönlicher Leitspruch von der „Freiheit eines Christenmenschen“ war für sie Ausgangspunkt  ihrer aktiven Mitgestaltung der Friedlichen Revolution 1989 in der DDR. Für ihr Wirken in staatlicher Verantwortung nach der deutschen Wiedervereinigung  gewann sie aus ihrem christlichen Glauben Motivation, Maßstab und Orientierung, immer wieder neu nach ihrer Verantwortung vor Gott und den Menschen zu fragen.

Franz Meurer, Köln ist kath. Theologe und einer der bekanntesten Pfarrer in und um Köln. Er ist bekannt für sein Engagement, seine hohe Beliebtheit bei den Menschen und mutiges, authentisches Auftreten. Mit dem „HöVi-Land“, einer sozialen Einrichtung, erlangte er auch nationale Bekanntheit und erhielt zahlreiche Ehrungen. Sein zuletzt veröffentlichtes Buch trägt den Titel: „Brandmeister Gottes – Für eine Kirche, die nicht lange fackelt“.

Dr. Patrick Rohs, Wien ist Universitätsassistent (post-doc) am Institut für Praktische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien und geschäftsführendes Mitglied des Netzwerks Interdisziplinäre Werteforschung. Er studierte Katholische Fachtheologie, Psychologie und Religionswissenschaft in Wien und Trier. Seine Dissertation unter dem Titel „Soziale Kohäsion und Wertebildung – Eine interdisziplinäre Studie zur Analyse und Förderung des sozialen Zusammenhalts in Österreich“ beschäftigte sich auf Basis der Daten der Europäischen Wertestudie (EVS) mit Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen u.a. Werteforschung, soziale Kohäsion und Religionssoziologie.

FREITAG, 07. Februar 2025 Braucht Demokratie Religion?
15.00 Uhr Kaffee und Kuchen
15.30 Uhr Begrüßung und Einführung durch Dr. Sandra Legge , Die Hegge
anschließend
Christine L I E B E R K N E C H T, Erfurt:

In Verantwortung vor Gott und den Menschen

abends
Dr. Patrick R O H S, Wien:

Demokratie, Werte und Religion – Überlegungen zu einem spannungsreichen Verhältnis

SAMSTAG, 08.02.2025  
vormittags
Pfr. Franz  M E U R E R, Köln:

Warum Religion für jeden einzelnen und unser Zusammenleben wichtig ist. Ein literarischer Bericht.

 
nachmittags
Prof.in Dr. Meltem K U L A C A T A N, Nürnberg:

Jugend und Religion in der pluralen Demokratie

abends
Prof. Dr. Michael J Ä C K E L, Trier:

Nah- und Fernerfahrungen: Das schwierige Verhältnis von Politik und Religion

SONNTAG, 09.02.2025
 
vormittags
 Dr. Dr. h.c. Markus D R Ö G E, Berlin

Im Vertrauen auf Gottes Geist die Demokratie neu beleben

anschließend
Podiumsdiskussion
nachmittags
Reflektion, Abschluss
15 Uhr
Ende der Tagung

Anmeldeformular

Thema: Braucht Demokratie Religion?
Datum: 07.02.2025 15:00 - 09.02.2025 15:00
Kosten: 260,00

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