Am 25. Februar 2016 feierte Frau Christine Ulrich, die älteste Hegge-Frau, im Kreis ihrer Mitschwestern und mit Freunden der Hegge ihren 90. Geburtstag.
Frau Christine wurde 1926 in Halle/Saale geboren und erlebte als Kind die Zeit der Weimarer Republik, die Machtergreifung Hitlers und den Ausbruch des zweiten Weltkriegs. Nach ihrem Abitur 1944 wurde sie zum Arbeitsdienst in einer Munitionsfabrik verpflichtet.
In ihrer Herkunftsfamilie lernte sie, dass man sich aufgrund der nationalsozialistischen Politik der Gleichschaltung noch längst nicht gleichschalten lassen muss, sich nicht anpassen, nicht mit dem Strom schwimmen muss. Sie und ihre Geschwister lernten, selbst zu denken, selbst ein Urteil zu fällen, zu lesen, hinter die Kulissen zu schauen, sich selbst zu bilden.
1945, bei Kriegsende, als junge Frau, und konnte sie mit einer Ausbildung als Kinder- und Säuglingsschwester beginnen. Es war die harte Zeit der Nachkriegsverhältnisse, des Hungers, der Armut. Die Kinder, um die sie sich auf ihren ersten Stelle im Adolf-Bäseler-Heim in Delitzsch kümmern musstes, waren Flüchtlingskinder, Waisenkinder.
1953 , nach dem großen Volksaufstand in der DDR, gelang Frau Christine die Flucht in den Westen und so kam sie über Umwege auf die Hegge, wo sie am 11. November 1953, dem Martinstag, ihr Noviziat begann. Von da an hat sie ihre Lebenskraft für die Hegge eingesetzt: als Sakristanin, beim Empfang der Gäste, im Büro.
Ihre besondere Liebe aber galt immer dem Garten, in dem sie einen Großteil ihrer Zeit verbracht hat – beim Sträucher schneiden, beim Umgraben, Staudenbeete anlegen und pflegen, Bäume pflanzen.
Als im November 1989 tatsächlich in Deutschland die Mauer fiel, die 1961 zwischen Ost- und Westdeutschland errichtet worden war, grub Frau Christinein in ihrer übergroßen Freude einen Eichensämling aus, der sich im Wald selbst ausgesät hatte, und pflanzte ihn an prominenter Stelle – im Empfangsbereich der Hegge ein: Eine Einheitseiche! Inzwischen ist aus diesem Sämling ein stabiler Baum geworden!
Ihre besondere Stärke aber war noch etwas Zweites: Ihre Präsenz und Verfügbarkeit. Frau Christines Büro war hinter der Rezeption. Dort war sie von frühmorgens bis spät abends verfügbar und ansprechbar für die Fragen und Nöte der Gäste.Und auch hier hatte Frau Christine ein besonderes Herz für diejenigen, die sonst wenig Aufmerksamkeit erfuhren. Ein besonderes Verdienst, eine besondere Gabe, für die jede Gemeinschaft dankbar ist.
Bei der Geburtstagsfeier war es für Frau Christine und die anwesenden Gäste eine besondere Freude, als Prof. Heindrichs, ein alter Freund der Hegge, aus seiner Gedichtsammlung einige Blumengedichte las.
Immer wieder
einmal
nur schauen
wie Blüten und Kelche
zur Sonne hin
aufgehen
und sich schließen
beim Beginn der Nacht
damit du begreifst
im Zeitraffer
dich
Heinz-Albert Heindrichs
(in: Grün vor Blau, Aachen: Rimbaud-Verlag 2015, S.15)